Die Montagsfrage #49 – Wie wichtig ist der Autor eines Buches?

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Wir bewegen uns in großen Schritten auf die 52. Montagsfrage zu, meine Lieben. Das heißt, dass die Montagsfrage auf meinem Blog bald ein komplettes Kalenderjahr existiert, was mich gleichzeitig fragen lässt, wo die Zeit hin und ob wirklich erst ein Jahr um ist. Mir kommen Dinge gleichzeitig viel zu rasend schnell UND irgendwie prinzipiell länger vor als sie eigentlich sind. Doch egal wie die Zeit für euch vergeht (selbst wenn sie sich, wie bei mir, nicht so richtig entscheiden kann): fast 52 Beiträge. Fast ein ganzes Jahr an Fragen. Wow. Ich kenne das genaue Protokoll bei solch einem Ereignis nicht, bin allerdings der Meinung, dass es Kuchen geben sollte. Aber ich habe ja noch drei Beiträge um mir das (inklusive Kuchen) zu überlegen.

Heute jedenfalls gibt es die 49. Montagsfrage, die zwar nicht ganz so glamorous ist, sich aber trotzdem Mühe gibt, einen guten Wochenstart zu etablieren. Einen guten (oder zumindest energetischen) Start in die Woche kann ich, nebenbei bemerkt, wirklich gebrauchen. Nach fünf Wochen Abwesenheit haben mich die Niederlande, die Arbeit und mein liegengebliebener Wäschehaufen Zuhause wieder. Zumindest letzterer macht gute Fortschritte, Waschmaschine war die letzten zwei Tage im Dauereinsatz. Wie ihr seht, steppt der Bär. Und auch wenn ich sicher bin, dass hier mit Spannung verfolgt wird, wie mein Wäschehaufen sich verkrümelt (Wie gut erkennt man Ironie beim Lesen?), gehen wir an dieser Stelle vielleicht besser zur Montagsfrage über. Also ohne weitere Anekdoten über Weichspüler, Colorwaschmittel und Co.:

Wie wichtig ist der Autor eines Buches?

Autor heißt Urheber. Und, zumindest metaphorisch, Vater, Mutter und zumindest ein bisschen Hebamme des Buches. Autoren machen freilich nicht die ganze Arbeit (Testleser, Lektorat, Marketingabteilung, Covergestaltung und und und sollten ja nicht außen vorgelassen werden), aber Autoren stemmen den Großteil der Arbeit und sind letztendlich hauptsächlich für das Buch, das letztendlich im Regal landet, verantwortlich. Doch wenn das Buch erst einmal im Regal gelandet ist, darum geht es in der heutigen Montagsfrage, wie wichtig ist der Autor dann noch?

Diese Frage lässt sich in einem von zwei Extremen oder Schattierungen dazwischen beantworten. Das eine Extrem wäre zu sagen, der Autor sei das wichtigste an der Geschichte. Daraus ließe sich schlussfolgern, dass alles, was der Autor im Nachhinein über die Geschichte sagt oder zusätzlich zu einem abgeschlossenen Buch oder einer abgeschlossenen Buchreihe im Nachhinein in Prequels oder Sequels noch niederschreibt, Gesetz ist. Das andere Extrem wäre, einen Autor mit Veröffentlichung des Buches oder mit Beendigung einer Buchreihe, vollkommen von den Büchern zu trennen. Das heißt, alles, was der Autor im Nachhinein über das Buch oder die Bücher noch sagt, keine Rolle spielt, weil das einzige, was wirklich zählt, das ist, was in den Büchern steht.

Vor allem in Buchreihen, die sehr komplexe Welten konzipieren (ihr habt es erraten: in erster Linie Fantasy) ist es wichtig, diese Frage zu stellen. Sind Werk und Autor voneinander getrennt – das heißt, Werk mit Veröffentlichung abgeschlossen oder ständig offen, soweit ein Autor sich entscheidet, noch etwas dazu zu sagen? Sei es in einem weiteren Buch oder auf Twitter (looking at you, J.K. Rowling). Vielleicht ist die Frage heute ein bisschen zu abstrakt, ich finde sie allerdings wichtig, wenn man Bücher beurteilen will.

Ich weiß, ich nehme Harry Potter sehr oft als Beispiel, aber nehmen wir Harry Potter als Beispiel: Für einige ist alles, was in den sieben Büchern verfasst wurde, die komplette Geschichte und das komplette Universum. Andere schließen die Fantastic Beasts Filme und Cursed Child mit ein. Und ja, was ist eigentlich mit den im Nachhinein verfassten Märchen von Beedle dem Barden und Fantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind (das Buch, nicht die Filmreihe)? Sind das Grenzfälle? Und J.K. Rowlings Twitter-Aktivität? Ist alles Teil der Geschichte, was sie dort über Harry Potter schreibt? Es ist wichtig sich diese Frage zu stellen, denn sie entscheidet darüber, ob Dumbledore beispielsweise canon schwul ist (wurde im Buch nie erwähnt, aber später von J.K. Rowling so gesagt). Oder ob wir wissen, welche Berufe Harry, Ron und Co. letztendlich bekommen haben – oder nicht (im Buch wird nichts davon erwähnt, J.K. Rowling hat im Nachhinein allerdings darüber Aussagen getroffen).

Natürlich, gerade wenn ein Buch eine sehr komplexe und dynamische Welt mit einbezieht, mit vielen detailliert entwickelten Charakteren, wird es immer Aspekte der Geschichte geben, die nicht ausgesprochen werden. Aber kann ein Autor im Nachhinein diese Dinge ergänzen oder gilt das bei abgeschlossenen Reihen nicht als canon? Ich beantworte meine eigene Frage diese Woche mit einem ganz eindeutigen Jein.

Wie bereits erwähnt, ich verstehe, dass nicht alles in Büchern Platz hat und dass das deshalb nicht heißt, dass es nicht immer schon (zumindest im Hintergrund) Teil der Geschichte war. ABER, not gonna lie, ich flirte schon ziemlich mit dem Gedanken, Autor und Buch, nach einer abgeschlossenen Buchreihe, vollkommen voneinander zu trennen. Das kann zum einen darüber passieren, dass man spätere Erweiterungen der Bücher ignoriert. Oder darüber, wenn man es ganz ins Extrem treiben will, die Identität des Autors vollkommen von einem Buch zu trennen. Das heißt beim Lesen und bei der Interpretation, den Autor (inklusive Hintergrund, Motiven etc.) überhaupt nicht in Betracht ziehen.

Vor einigen Jahren wurde mir das als „The Death of the Author“ (basierend auf einem Essay von Roland Barthes) vorgestellt. Nun, ich bin sehr weit entfernt davon, ein Literaturwissenschaftler zu sein, nagelt mich also nicht auf meine Interpretation dieser Interpretation von Buchinterpretationen fest. Aber was das im Prinzip heißt ist: Das Buch ist und wird interpretiert, wie ich es lese und wahrnehme – und nicht wie der Autor es eventuell gemeint hat, weil der Autor tot ist (nicht wortwörtlich, aber metaphorisch). (Wikipedia-Artikel von The Death of the Author für weiteres Lesen.)

Dieses ganze Death of the Author Konzept geht noch viel tiefer und freilich gibt es auch wieder andere Literaturwissenschaftler, die ihn (ironischer Weise) ganz in ihrem Sinne auslegen oder fast schon an sich als Satire abtun – aber das geht ein bisschen zu weit für einen Montag Morgen. Und auch, um ganz ehrlich zu sein, über meine Expertise heraus. Nichtsdestotrotz ist es eine interessante Frage, auf Interpretationen von Büchern bezogen – und vielleicht sogar darauf, ob gewisse Bücher lesbar sind, wenn wir sie von ihren Autoren getrennt betrachten.

Lasst die Köpfe und die Tasten qualmen, ich freue mich auf eure Antworten zur dieswöchentlichen Frage!

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Noch nicht genug von der Montagsfrage? Hier geht es zur Montagsfrage der letzten Woche und hier zur Liste aller auf diesem Blog erschienenen Montagsfragen.