Die Buchmesse ist tot, es lebe der Buchhandel! (Alternativen zur LBM)

Wie sagt man so schön? Nach der Buchmesse ist ja bekanntlich immer vor der Buchmesse. Blöd nur, wenn die erste der beiden deutschen Buchmessen des Jahres gar nicht stattgefunden hat. Die Veranstalter der Leipziger Buchmesse haben die Großveranstaltung gestern in einer historischen Entscheidung abgesagt. Das erste Mal in ihrer Geschichte. Heute steht die deutsche Buchlandschaft vor den Folgen dieser Entscheidung. Also was tun mit dem verlorenen Wochenende? Ich hätte da ein paar Ideen.

Seit die Buchmesse gestern abgesagt wurde (ja, abgesagt, nicht verschoben wie von manch einem vielleicht erwartet; Quelle) dreht es sich nun vor allem bei vielen Verlagen, Autoren und Illustratoren, die auf teils großen Investitionen rund um die Messe sitzen bleiben. Der Drachenmond Verlag hat es in ihrem Statement gestern Abend wahrscheinlich am besten ausgedrückt:

Die Buchmesse ist abgesagt. Ich kann nicht behaupten, dass es völlig unerwartet kam und ich habe Verständnis dafür. Dennoch ist es eine Katastrophe für uns, denn mal abgesehen von den vielen Tagen, die wir durchgepowert habe, um alles für die Messe fertigzubekommen, ist ein Messebesuch eine riesige finanzielle Investition. All die Neuerscheinungen, dazu über 20 Titel im Nachdruck, damit die signierenden Autoren genügend Bücher vor Ort haben.
Ob die Standgebühren überhaupt erstattet werden, weiß ich noch gar nicht. Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht weiß, wie das aufzufangen sein soll, denn die Messeeinnahmen retteten immer etwas über das Sommerloch und das fällt nun alles weg.
(Statement vom Drachenmond Verlag, 03.03.2020)

Gerade für die kleinen Verlage ist die abgesagte Messe eine, da können wir uns sicher einigen, absolute Katastrophe. Ich arbeite nicht im Verlagswesen, ich weiß nicht, wie groß der Schaden tatsächlich ist. Da der deutsche Buchhandel allerdings nicht unbedingt für seine lukrativen Millionengeschäfte bekannt ist, kann ich es mir vorstellen. Man darf an dieser Stelle durchaus mit den Verlagshäusern und ihren Autoren fühlen. Dass die Messe dieses Jahr (das erste Mal seit ihrem Bestehen, wohl bemerkt!) abgesagt wurde, ist ein harter Schlag.

Es ist eine Situation, die weder die Veranstalter, noch die Fachbesucher, noch die Privatbesucher glücklich macht. Die allen Geld kostet und keinem was bringt. Aber, wie ich in meinem gestrigen Post geschrieben habe, eine blöde Entscheidung ist manchmal eben trotzdem die einzig richtige. Und außer an dieser Stelle nach vorn schauen — auf die nächste Woche, nun ohne Buchmesse, oder den Herbst mit der Messe in Frankfurt — kann man sowieso nichts machen.

Wie genau geht es nun weiter? Diese Frage wabert seit gestern Mittag durch die deutsche Buchlandschaft. Und sicher auch durch das ein oder andere deutsche Wohnzimmer. Nicht mit der geplanten Leipziger Buchmesse, so viel steht fest. Dafür aber mit einer ganzen Menge Veranstaltungen — verteilt über ganz Deutschland. Wer seit gestern die Social Media Kanäle einiger Verlage im Auge behalten hat, hat vielleicht bereits festgestellt, dass bei den Verlags-Marketing-Teams nach der Absage wohl die Hölle los gewesen sein muss.

Viele Verlage haben Online-Aktionen angekündigt, andere organisieren eigene Messe-esque Veranstaltungen. Instagram-Stories sind voll von Bekundungen, jetzt erst recht Bücher zu kaufen (Nieder mit dem Sommerloch!) und alles in allem wird das nächste Wochenende wohl doch die ein oder andere (digitale oder reelle) Veranstaltung hergeben, auf die man ein Auge werfen kann. Was also tun gegen abgesagte Buchmessen? Eine ganze Menge — hier mit einer kleinen (unvollständigen) Liste an Ideen.

Mini-Messe beim Drachenmond Verlag

Wer Fantasy liebt und nahe Leverkusen wohnt, holt nächste Woche Samstag wohl den absoluten Jackpot. (Na ja, von der abgesagten Buchmesse jetzt mal abgesehen.) Dann öffnet der Drachenmond Verlag nämlich die Türen ihres Drachennests für eine ’Drachenmesse.’ (So viel Mal das Wort Drache in einem Satz, oh wow.) Details über die Autoren, die zu Lesungen und Signierstunden anreisen, sind noch nicht ganz ausgetüftelt, werden aber innerhalb der nächsten Tage auf der Verlagsseite angekündigt. Behaltet diesen Link und die Social Media Kanäle des Verlags also im Auge.

Was wir bisher wissen, ist, dass die Alternativ-Mini-Messe am 14. März, einem Samstag, stattfinden wird. Von 12.00 bis 18.00 Uhr. Dass Lesungen, Interviews und Livestreams geplant sind und — sollte Leverkusen (wo das Drachennest angesiedelt ist) doch einen Ticken zu weit für euch sein — auch etliche Instagram-Aktionen an diesem Messesamstag.

Social-Media Aktionen

Leverkusen zu weit weg oder wie ich jetzt doch in Leipzig unterwegs? Instagram hat vielleicht gesellschaftlich und psychisch nicht immer die besten Auswirkungen, aber in diesem Falle mal ein Hoch auf die Plattform. Eine Menge Verlage haben dort bisher Aktionen und Gewinnspiele angekündigt. Der Carlsen Verlag ruft unter dem Hashtag #leidernichtleipzig dazu auf, etwas Buchmesse-Feeling zu verbreiten — auch ohne Buchmesse. Dazu verlost Carlsen vom 12. März an und daraufhin täglich für die restliche Buchmessen-Zeit signierte Bücher von angekündigten (und nun abgesagten) Autoren und Zeichnern.

Bastei Lübbe hat ebenfalls Gewinnspiele während der kommenden Woche auf ihrem Instagram-Account angekündigt, aber auch kleinere Verlage wie beispielsweise der Südpol Verlag (Kinder- und Jugendbücher) veranstalten laut eigenen Angaben auf Instagram Gewinnspiele ab dem 12. März.

Viele andere Independent Verlagshäuser, aber auch Self-Publisher und Illustratoren kündigen momentan ebenfalls eine Reihe von Aktionen an. Entweder ein reduziertes Angebot auf ihre Werke, Verlosungen oder Livestreams. Es lohnt sich wirklich, Hashtags wie #lbm2020 mal die nächsten Tage genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn auch ohne Buchmesse findet ihr dort momentan viele kleine Verlage, independent Autoren und andere Künstler, die man sonst nächste Woche in Leipzig hätte entdecken (und unterstützen) können.

#Bücherhamstern

Die letzten zwei Punkte haben sich sehr darum gedreht, was man an dieser Stelle trotz abgesagter Messe von den Verlagen mitnehmen kann. Seien es Gewinnspiele oder Ersatzmessen. Es geht allerdings (wie in der Einleitung schon angeschnitten) nicht primär darum, was man als Blogger oder Privatperson noch rausholen kann. Es geht, gerade jetzt, gerade heute, auch darum, das gebeutelte Buchwesen und alle, die auf die ein oder andere Art da mit drin hängen, aus dieser Misere herauszuziehen. Oder einfach nur den Schlag zu dämpfen. Damit kann ja schon mal angefangen werden.

Wirklich langfristig geht das nur, indem man jetzt Bücher kauft. Jetzt die Augen nach Programmen von Self-Publishern und kleinen Verlagen aufhält. Jetzt trotz abgesagter Buchmesse das tut, was wir alle auf der Buchmesse getan hätten: Mehr Bücher nach Hause tragen als wir eigentlich dieses Quartal lesen können. Meine Freunde, Bücherhamstern ist angesagt!

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Der Diogenes Verlag wusste schon vor fünf Tagen wo der Hase läuft. Quelle: Instagram

Der Diogenes Verlag hat diese Botschaft schon vor der gestrigen Hiobsbotschaft verbreitet und ich wiederhole sie gern: Das Beste, was man momentan so wirklich tun kann, ist Bücher kaufen, noch mehr Bücher kaufen und dann einfach Zuhause bleiben. Bücherhamstern eben. Und da es sowieso viel mehr Spaß macht, Romane zu stapeln als Nudelpackungen und der angeknacksten Buchbranche damit auch geholfen ist, ist das Bücherhamstern eine win-win-Situation. Wenn es ein Mal einen guten Zeitpunkt gegeben hat, ohne schlechtes Gewissen so richtig die lokalen Buchhandlungen leer zu räumen, dann ja wohl diese hier.

Viele erstattete Zugtickets (ich habe mir sagen lassen, dass die Bahn wohl momentan recht kulant diesbezüglich ist) ließen sich ausgezeichnet direkt in neue Lektüre umsetzen. Und auch wenn ein gewisser Einbruch bei den Verkaufszahlen der Verlagshäuser unabdingbar sein wird, hört man auf Twitter bereits Stimmen, dass dieses ’Bücherhamstern’ durchaus schon Wellen geschlagen hat. Dieses Mal, ganz und gar, im positiven Sinne.

Ich habe in diesem Beitrag bisher viel über Unterstützung von Verlagshäusern — die kleinen und die großen — gesprochen. Berechtigte Frage wäre da natürlich an dieser Stelle, wieso die Verluste der Verleger überhaupt so viele (mich eingeschlossen) interessiert. Wieso sind wir so erpicht, den Verlusten von eingetragenen Unternehmen entgegenzuwirken? Schließlich ist man ja Privatperson, die von dem Messe-Fiasko auch persönlich gebeutelt (oder zumindest herb enttäuscht) wurde. Und wieso interessieren mich als Blogger mehr die Probleme der Self-Publisher als mein geplanter Content, der jetzt durch die abgesagte Messe flöten geht?

Der Grund ist einfach und er ist kompliziert. Wieso Verlage unterstützen — die kleinen und die großen? Wieso Autoren — independent oder etabliert? Illustratoren — mit hundert Instagram-Followern oder zehntausend? — Weil all diese Leute die Buchbranche bunt machen. Wir brauchen große Verlage und kleine Verlage, wir brauchen junge Self-Publisher und alte Hasen, die schon fünf Mal auf Spiegel-Bestseller-Listen gestanden haben. Wir brauchen all die Illustratoren, seien sie nun auf Kinderbücher spezialisiert oder auf Manga oder von der Kritik gelobte Graphic Novels. Weil Vielfalt gut tut und Innovation mit sich bringt.

Die große Masse verschiedenster Leute, die die deutsche Buchlandschaft zu dem machen, was sie ist, pilgert jedes Jahr zu den beiden Buchmessen — und die verlorenen Investitionen in die Leipziger ist gerade für die, die starten, die nicht mit einem großen Verlagshaus unterwegs sind, ein riesiges Problem. Ich mag, dass die Branche vielfältig ist, aber damit sie vielfältig bleiben kann, muss man den kleinen Kreativen, die neue Wege ausprobieren, gerade jetzt unter die Arme greifen.

Ich schreibe momentan selbst an meinem Debütroman und ich spreche deshalb aus Erfahrung wenn ich sage: Jemand, der sich hauptberuflich dazu entschieden hat, sein Geld mit Schreiben zu verdienen, atmet für dieses Handwerk. Die Arbeitszeiten sind furchtbar, Erfolg nie sicher, finanzielle Entlohnung sehr unwahrscheinlich — und außerdem kann man sich nach einer Weile echt nicht mehr sicher sein, ob der letzte Satz jetzt eigentlich das Beste ist, was man je geschrieben hat, oder vollkommener Mist. Es ist eine nervenaufreibende, undankbare Aufgabe, das Schreiben, und es ist der beste Beruf der Welt. Ich würde nicht tauschen wollen.

Dass es dieses Jahr Autoren gibt, mit oder ohne Verlag, die einen Roman fertiggeschrieben und herausgebracht haben und die auf diese Buchmesse gebaut haben, tut mir aus tiefster Seele leid. Natürlich — eine abgesagte Messe ist nicht das Ender der Welt. Aber es ist ein Grad frustrierend fern von dem, was ich mir vorstellen kann, so lang auf etwas hinzuarbeiten, um dann mit der eigenen Vorbereitung Verluste einzufahren. Ein Schicksal, dass Autoren (mit denen ich aus persönlichen Gründen am meisten fühle) mit all denen teilen, die hinter dem Verlegen eines Buches stehen oder, wie die Illustratoren, anders kreativ auf der Messe präsentieren.

Deshalb spreche ich mich so intensiv für Bücherhamstern und Verlagsunterstützung aus: Weil ich weiß, wie viel Arbeit und Ungewissheit hinter jedem Buch steckt. Wie viel auf die Buchmessen gebaut wird. Und weil ich mir vorstellen kann, wie weh es tut, jetzt vernünftig sein zu müssen und Zuhause zu bleiben. Mit Büchern, die nicht signiert und verkauft werden können, mit großen Kunstprojekten, die nicht präsentiert werden können, ersten Lesungen, die nie stattfinden, und einer allgemeinen Enttäuschung, die nächste Woche durch Leipzig wabert anstelle der Gäste, die hätten kommen sollen.

In diesem Sinne also (und bevor es gänzlich eskaliert mit meinen dramatischen Schachtelsätzen): Kauft Bücher! Haltet Ausschau nach kleinen Verlagen, interessanten Self-Publishing Werken und Künstlern, die ihre Prints jetzt statt am Messestand online verkaufen! Es wird ein Trostpflaster bleiben — aber immerhin ist es ein Trostpflaster.

Kurzurlaub in Leipzig

Wenn die Hotels und Zugverbindungen eh einmal gebucht sind, besteht natürlich — neben Stornierung — immer noch die Möglichkeit, stattdessen einfach einen Kurzurlaub in Leipzig zu machen. Ich habe viele Freunde, Bekannte und eine Cousine in Leipzig, in diesem Sinne spreche ich also auch aus eigener Kurzurlaub-Erfahrung, wenn ich sage: Es macht sehr viel Spaß! Leipzig ist eine schöne, interessante und sehenswerte Stadt.

Ich selbst fahre nächsten Donnerstag wie ursprünglich geplant hin und wandle mein Buchmessen-Wochenende in ein Wiedersehens-Wochenende mit alten Schulfreunden und meiner Cousine um. Nach der Enttäuschung der gestrigen Messe-Absage tat diese Entscheidung sehr gut — und ich freue mich wirklich auf die kommende Woche. Auch ohne Lesungen.

Leider bin ich viel zu selten in Leipzig, um sonderlich reflektierte Städte-Geheimtips zu geben (aber hey, solltet ihr je nach Nijmegen in die Niederlande kommen, dann wär ich eure Ansprechperson). Muss ich allerdings auch gar nicht, denn die liebe Johanna von Unter Freunden hat bereits einen super Beitrag rund um Veranstaltungen in Leipzig nächste Woche verfasst. (Inklusive einiger Messe-naher Veranstaltungen, die trotz abgesagter LBM noch stattfinden.) Wer sich also — wie ich — nächste Woche nach Leipzig verirrt, der schaue doch mal kurz bei diesem Beitrag vorbei. Da steht eigentlich alles drin, was man so wissen muss, für einen Leipzig-Buch-Nerd-Kurztrip.

Die wenigen persönliche Tips, die ich euch aus eigener Erfahrung geben kann, sind darüberhinaus a) ein Besuch beim Connewitzer Verlagsbuchhandel (die schon sehr viel Geld mit mir verdient haben als ich das letzte Mal in Leipzig war) und b) ein Besuch beim Laden von Goldhelm. Goldhelm, für alle, die nicht aus Erfurt kommen und mit diesem Laden nichts anfangen können, hat nicht direkt etwas mit Büchern zu tun — sondern mit Schokolade. Ich könnte (und eines Tages werde ich das auch) einen ganzen Beitrag nur über Goldhelm schreiben. Der beste Schokoladenladen ever. Und seit einigen Monaten auch mit einem Laden in Leipzig vertreten. Hochwertiger geht es wirklich nicht. (Nicht nur meiner Meinung nach, sondern auch bestätigt von der kompletten Familie meines italienischen Freundes, die allesamt riesige Fans dieser Schokolade sind und sie deshalb immer mit nach Rom nehmen.) Goldhelm ist einfach eine Klasse für sich und wenn ihr schon die Buchmesse verpasst, dann bietet es sich wirklich an, sich mit ihrer Schokolade zu trösten. Oder dem ein oder anderen Pralienchen (Pralinchen? idk).

Und sonst?

Was es sonst noch während dieser nächsten Woche für alle, die die Buchmesse vermissen, zu tun gibt, ist eine Frage, die ich an euch weitergebe. Es ist unmöglich zu erfassen, was nun alles nächste Woche in Leipzig passiert, welche Verlage innerhalb der nächsten Tage welche Aktionen ankündigen werden, und wo es doch noch den ein oder anderen interessanten Livestream gibt.

Solltet ihr also auf eine interessante Aktion, einen tollen Self-Publishing Autor, einen Verlag in Nöten, die besten Hotspots in Leipzig oder ein anderes Buchmessen-Trostpflaster stoßen, dann lasst gern ein paar Tips in den Kommentaren da. Ich würde mich sehr freuen — und viele andere Leser sicher auch!

Und mit dieser Endbemerkung verabschiede ich mich mit diesem ur-langen Beitrag von euch. Ich hoffe, ihr habt eine gute Restwoche und eine noch bessere Folgewoche, voll mit super Büchern und noch besseren Buch-Aktionen. Haltet die Ohren steif, verzweifelt nicht zu sehr an diesem abgesagten Event — und, in jedem Falle, macht euch bereit für die Frankfurter Buchmesse im Herbst! (Und geht zu Goldhelm, wenn ihr in Leipzig seid. Oder bestellt etwas in ihrem Online-Shop. Ich meine es ernst!)