Die Montagsfrage #55 – Welches Buch, das man – nach allgemeiner Meinung – gelesen haben sollte, hast du noch nicht gelesen? Warum nicht? (von Aequitas et Veritas)

Guten Morgen, meine Lieben und auf einen guten Start in die neue Woche! Sonntag war bei uns ein richtig traumhafter (und sehr warmer) Herbsttag und ich hatte ein schönes Treffen mit einer Freundin. Davon abgesehen ist letztes Wochenende nichts, also wirklich überhaupt nichts Aufregendes passiert. Nicht, dass ich mich per se über ein bisschen Ruhe beschweren würde. Ganz im Gegenteil — immer her mit der Ereignislosigkeit! Man hat die besten Ideen, wenn man ein bisschen Ruhe hat. Aber für Einleitungen zur Montagsfrage ist das, was ich berichten kann, deshalb ein bisschen spars.

Nächste Woche Freitag schreibe ich meine erste Klausur des Studienjahres — das gibt es vielleicht noch zu berichten. Und meine Prüfungspanik schleicht sich bereits an. Ja, Examensphasen sind ein unerlässlicher Teil des Studentenlebens, aber ich bin (wie wahrscheinlich die meisten Menschen) kein sonderlich großer Fan. Weniger als zwei Wochen vor einem im Terminplaner eingekringelten Zeitraum, an dem man sein Wissen über ein gewisses Fach auf Multiple-Choice-Bögen zusammenkratzen soll, und ich hinterfrage jeden Aspekt meines Daseins. Was mache ich mit meinem Leben? Wo will ich überhaupt hin? Ist mein Name überhaupt Antonia?

Aber gut. Das wird schon. Ich sage immer Das wird schon obwohl ich momentan von meinem Balkon aus über die ganze Nachbarschaft schreien will: „Nein! Das wird es eben nicht!“ — aber das ist ja nun wirklich nicht meine erste Examensphase und meine erste psychische Instabilität in Folge derer, also weiß ich es besser als meine Nachbarn zu erschrecken. Alles wird. Auch wenn es manchmal nicht wird. Am Ende wird alles gut.

Welches Buch, das man – nach allgemeiner Meinung – gelesen haben sollte, hast du noch nicht gelesen? Warum nicht? (von Aequitas et Veritas)

Ich halte meine Montagsfrage-Antwort heute ein bisschen kürzer und komme gleich zum Punkt. Das Buch, das mir hier sofort in den Sinn gesprungen ist (Sagt man das so? In den Sinn gesprungen? Nein, in den Sinn gekommen. Nun gut. Der Satz und die Klammer stehen jetzt.), ist Das Tagebuch der Anne Frank.

Es ist ehrlich gesagt ein bisschen peinlich, dass ich dieses Buch noch nicht gelesen habe — zu meiner Verteidigung habe ich allerdings andere Bücher rund um die Zeit des zweiten Weltkrieges gelesen. Namentlich Die Bücherdiebin und Und in mir der unbesiegbare Sommer. Wobei Letzteres eigentlich nur vage an der Thematik Nazi-Deutschland vorbeischrammt. Ich zähle es aber mit hinein, weil es eine gänzlich andere Perspektive auf diese Zeit wirft, da die Handlung in einem russischen Arbeitslager spielt und die Wahrnehmung der Charaktere gegenüber Personen und Geschehnissen des zweiten Weltkrieges vollkommen anders ist als die im Rest Europas. Ich kann es in einem Absatz nicht wirklich besser beschreiben, aber die durch Isolation entstandene Wahrnehmung dieser Zeit war so, so, so erschreckend und dieses Buch war so schlimm und bewegend, ich kann es jedem ans Herz legen.

Wir haben Das Tagebuch der Anne Frank damals nicht in der Schule gelesen, was übrigens Bände über gekürzte Stundenzahlen im Deutsch- und Geschichtsunterricht spricht. Das ist ein bisschen schade, da man nur in einer Umgebung wie der Schule ein Buch lesen kann und anschließend auch detaillierte Hintergrundinformationen erhält, die man sich anderweitig selbst anlesen muss. Es ist allerdings nun mal was es ist und was übrig bleibt, ist nun die eigene (und alleinige) Lektüre des Buches.

Ich kann nicht sonderlich gut erklären, wieso ich um dieses Buch (eher unbewusst als bewusst) immer einen Bogen gemacht habe, außer damit, dass ich nie genau wusste, was es emotional bei mir auslösen wird. Ich kenne, wie wahrscheinlich fast jeder Mensch, die Geschichte von Anne Frank, ich habe mich, wie viele, biografisch zumindest ein bisschen mit ihr auseinandergesetzt. Aber das Tagebuch? In das Leben eines Menschen so intim eintauchen, von dem ich jetzt schon weiß, dass er mir sympathisch sein wird, dass ich für ihn hoffen werde, obwohl ich weiß, wie sein Leben enden wird? Das macht mir ehrlich gesagt Angst.

Natürlich ist der Grund, warum man Bücher – und vor allem dieses Buch – ließt, bewegt zu werden. Aber es gibt Bücher, von denen ich fürchte, zu tief bewegt zu werden. Was an sich übrigens vollkommen pretentious klingt und dessen bin ich mir auch bewusst. Jeder Satz danach kann nicht sonderlich besser werden, aber ich versuche es trotzdem: Ich fürchte mich davor, zu tief bewegt zu werden und in dunkle Gedankenspiralen zu rutschen, die ich mit Händen und Füßen versuche von mir abzuschütteln. So, jetzt habe ich es gesagt. Ich finde es wahnsinnig wichtig, Bücher zu lesen, die bewegen und die die Welt nicht schöner oder gerechter machen als sie nun mal ist. Aber ich brauche auch die Energie diese Bücher emotional verarbeiten zu können — und die hatte ich die letzten paar Jahre über einfach nicht.

Vor einigen Wochen habe ich mir endlich das Buch gekauft und seitdem liegt es bei mir im Schrank und ich warte auf den Nachmittag, an dem ich mich hinsetze und es endlich aufschlage. Ich denke, ich bin fast so weit, dieses Buch zu lesen, von ihm bewegt zu werden und am nächsten Morgen trotzdem aufstehen zu können. Und sicher, das hört sich alles ein bisschen rückgratlos und melodramatisch an, aber ich habe wirklich schon Bücher gelesen, die mich danach für Wochen, wenn nicht sogar Monate, vollkommen aus der Bahn haben gehen lassen und sosehr ich auch meine emphatischen Züge schätze, ich muss auch keine Depressionen triggern, wenn es sich vermeiden lässt.

So, jetzt ist die Antwort doch viel länger geworden als ich eigentlich geplant hatte. Ich hoffe, es ist für euch auf irgendeiner Ebene nachvollziehbar, wieso ich um Bücher, die wichtig sind, einen Bogen mache, bis ich bereit bin für die Bücher, die wichtig sind. In jedem Falle wünsche ich euch einen schönen Montag und einen guten Start in die Woche!

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Noch nicht genug von der Montagsfrage? Hier geht es zur Montagsfrage der letzten Woche und hier zur Liste aller auf diesem Blog erschienenen Montagsfragen.

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