Ich habe die letzten Tage sehr viel darüber reflektiert, wie ich meinen kleinen Flecken Internet am besten nutzen kann, um dieses Thema anzusprechen und einen hilfreichen Diskurs dazu anzustoßen. Wenn ich ganz ehrlich sein soll, fühle ich mich nicht qualifiziert genug, dieses Thema anzusprechen. Ich bin kein Opfer rassistischer Anfeindungen. Und ich weiß nicht, wie es Menschen geht, die es sind.
Versteht mich nicht falsch, ich versuche schon seit einer ganzen Weile bewusst zuzuhören. Ich habe in der Vergangenheit Bücher (vor allem biografischer Natur) gelesen, die sich unter anderem mit Rassismus auseinandersetzen. Und ich bin immer sehr daran interessiert, auf der Arbeit Artikel über Leute mit anderen Erfahrungswerten zu übernehmen. Ich habe Interviews (und noch viel mehr interessante Gespräche danach) mit Leuten geführt, die rassistischen Anfeindungen ausgesetzt oder die mit einer Religion in der Minderheit aufwachsen sind. Ich versuche zuzuhören, wo immer ich kann. Und ich versuche diesen Leuten eine Stimme zu geben. Aber es ist eine Tatsache, dass ich selbst viel, viel, viel zu wenig darüber weiß. Und dass die wenigen Stimmen, die ich gehört habe, nicht genug sind.
Wieso kommt dieser Beitrag heute? Wieso kam er nicht bereits letzte Woche Montag? In erster Linie, weil ich nicht gern auf den trending-hashtags-Zug aufspringe, ohne mich vorher mit einem Thema auseinanderzusetzen. Vor allem wenn es so wichtig ist und weil ich keinen oberflächlichen Beitrag ohne Mehrwert verfassen wollte, einfach um etwas zum Thema gesagt zu haben. (Und wenn ich noch einen bescheuerten Influencer sehe, der sich mit einem Plakat während einer Demonstration fotografieren lässt, NUR DAMIT ER/SIE EIN FOTO VON DIESER DEMONSTRATION HAT WEIL DAS GERADE SO VIELE LIKES GENERIERT AHHHHHH. Dann ist es vorbei, ich schwöre——)
Ich lasse schwere Dinge gern ein paar Tage sacken, gerade wenn sie so (vollkommen zu recht, in diesem Fall) eskalieren. Ich denke, so findet man letztendlich die besten Worte — und Worte sind sehr wichtig — und vor allem auch die beste Art und Weise sie einzusetzen. Die Montagsfrage ist nun, wie ich sie einsetze. Ich denke, das erreicht (selbst in meiner sehr beschränkten Reichweite) letztendlich die meisten Menschen und hat, man darf es jedenfalls hoffen, den größten Mehrwert, den ich generieren kann.
Wir haben letzte Woche bereits über ein Thema gesprochen, das schnell als recht kontrovers aufgefasst werden könnte. Ich glaube nicht, dass dieses Thema heute sonderlich kontrovers ist. Was George Floyd passiert ist, ist nicht kontrovers. Es ist rassistisch, es ist grausam, es ist menschenunwürdig und es macht mich unglaublich wütend. Kontrovers ist nicht das richtige Wort, weil es impliziert, dass es mehrere legitime Sichtweisen gibt, mit denen man dieses furchtbare Verbrechen beurteilen kann. Ich glaube nicht, dass es eine legitime zweite oder dritte oder vierte Sichtweise gibt. Es gibt genau eine: Was diesem Mann passiert ist, ist ein rassistisches Verbrechen. Es ist der Spiegel eines viel größeren, viel historischeren und viel gegenwärtigeren Problems. Und wir dürfen nicht in der Akzeptanz leben, dass so etwas monatlich, wöchentlich, ja, täglich Menschen in unserer Gesellschaft passiert oder passieren könnte.
Es wäre schöner, lebten wir in einer Welt, in der jede Montagsfrage leicht und lustig sein kann. Aber es wäre nicht richtig, wenn diese es wäre. Es ist natürlich illusionär zu denken, dass dies mehr als einen Tropfen auf den heißen Stein ist. Aber es ist eben der Tropfen auf den heißen Stein, den ich beitragen kann.
Wie bereits erwähnt, habe ich lange darüber nachgedacht, wie ich einen größtmöglichen Mehrwert innerhalb meiner eigenen Möglichkeiten erreichen kann. Ich bin dabei zum Schluss gekommen, dass Bildung ein ganz entscheidender Faktor ist und deshalb möchte ich euch bei der heutigen Montagsfrage genau das fragen: Wie kann man sich besser über das Thema bilden? In Buchform? Oder anders formuliert:
Welche Bücher, die gegen die Ignoranz und Unwissenheit bezüglich dieses Themas arbeiten, kennt ihr und könnt ihr weiterempfehlen?
In meinem eigenen Bücherschrank gibt es da große Lücken (und ich denke, ich bin damit nicht allein – was natürlich einer der Gründe ist, weshalb ich diese Frage so ansprechen wollte). Ich habe allerdings trotzdem schon das ein oder andere Buch, das sich auf die eine oder andere Weise mit Rassismus, Ausgrenzung und Xenophobie beschäftigt, gelesen und kann deshalb guten Herzens heute auch eine Empfehlung aussprechen (und hoffe an dieser Stelle, dass wir durch das Zusammentragen vieler Empfehlungen eine ganz gute Mischung an Literatur zu diesem Thema zusammenbekommen):
Eines meiner (vollkommen themenunabhängigen) Lieblingsbücher der letzten paar Jahre ist definitiv Born a Crime von Trevor Noah. Ich habe das Buch vor einiger Zeit auf einer Zugreise beim Umsteigen in Frankfurt gekauft. Weil ich früher gern die Daily Show geschaut habe als Jon Steward noch durch sie geführt hat und gern ein bisschen mehr über den neuen Host Trevor Noah wissen wollte. Also kurzum: Spontan ein bisschen Reiselektüre für den Rest des Weges. Nichts dabei gedacht und kein weltbewegendes Buch in Erwartung. Und lasst mich euch sagen, wie positiv ich von diesem Buch überrascht wurde.
Ich habe es praktisch für die nächsten vierundzwanzig Stunden während meiner wachen Stunden nicht mehr aus der Hand legen können. Normalerweise höre ich Musik beim Zugfahren und lese nicht sonderlich viel dabei, aber keine Chance. Dieses autobiografische Buch hat mich einfach aus den Socken gehauen. Es war unheimlich lustig, es war unheimlich traurig, es hat mich bewegt, zum Lachen gebracht und am Ende habe ich — wie man so schön sagt — Rotz und Wasser geheult.
In dem Buch selbst geht es um Trevor Noahs eigene Kindheit in Südafrika während des Apartheid-Regimes, in dem er als Kind einer Mutter, die eine Person of Color ist, und eines weißen Vaters wortwörtlich ein ’Verbrechen’ ist (weil Beziehungen dieser Art streng verboten waren), weshalb er die ersten Jahre seines Lebens von seiner Mutter vor den Behörden versteckt wurde. Es geht auch um seine Jugendjahre nach dem Apartheid-Regime, in dem Rassismus immer noch existiert. Um eine Identität zwischen ’Schwarz’ und ’Weiß.’ Über seine Mutter, die, offen gestanden, einfach eine wahnsinnig tolle Frau ist. Über das Driften in die Leere des Immer-Am-Selben-Fleck-Tretens und über das Herauskommen. Es ist ein tolles, authentisches und gleichermaßen unglaubliches Buch. Ich habe es bereits zuvor empfohlen und ich kann es immer wieder empfehlen. Vor allem, wenn man selbst noch nicht viel über das Apartheid-Regime weiß — oder über Südafrika im Allgemeinen.
Wenn ich momentan allen ein Buch ans Herzen legen könnte — auch ohne dass die Thematik Rassismus wahnsinnig wichtig ist, aber gerade weil sie momentan so wichtig ist — Trevor Noah ist eine ausgezeichnete Wahl. (Und ich hoffe ganz inständig, dass er in Zukunft noch viele weitere tolle Bücher schreibt. Er ist ein sehr lesenswerter Autor.) Ganz davon abgesehen, dass ich danach immer mehr die Daily Show wieder für mich entdeckt habe und auch seine Kommentare zu den aktuellen Ereignissen sehr stark und auf den Punkt gebracht fand. Wer also politische und humoristische Kommentare zum amerikanischen Politgeschehen interessant findet, dem sei der YouTube-Kanal von The Daily Show sehr angeraten. Zusätzlich zur Lektüre der Autobiografie ihres Hosts. (Und, wo wir gerade dabei sind, ich liebe auch Trevor Noah’s Netflix Comedy Specials, vor allem Son of Patricia — und hoffe auch da, dass noch ganz viele weitere kommen. Wirklich sehr empfehlenswert!)
Nun ist es an euch: Welches Buch sollte man gelesen haben, wenn man sich näher mit dem Thema Rassismus beschäftigen will? Welche Erfahrungsberichte haben euch bewegt und vielleicht sogar eine weitere Perspektive geöffnet? Was sind must-read-books in diesen Zeiten? Ich bin sicher, es gibt einige — und wenn wir uns diese Woche alle zusammentun, dann bin ich davon überzeugt, dass wir eine gute Leseliste zusammenbringen können, mit der jeder Interessierte sich nachhaltig tiefgründiger über Rassismus informieren kann.
Ihr wollt euren Beitrag teilen? Um ihn verlinken zu lassen, kommentiert bitte mit einem Link unter diesen Post. Ich verlinke anschließend in chronologischer (Kommentar-)Reihenfolge. Das Banner darf natürlich kopiert werden.
Noch nicht genug von der Montagsfrage? Hier geht es zur Montagsfrage der letzten Woche und hier zur Liste aller auf diesem Blog erschienenen Montagsfragen.
Hallo,
ich habe die Frage etwas weiter ausgelegt, sonst wäre die Antwort recht kurz geworden.
https://www.torstens-buecherecke.de/8499/
LG
Torsten
LikeLike
Ein Thema, das ich eigentlich gerne vermeide, aber ein bisschen was musste ich dann doch dazu schreiben, auch wenn ich kaum auf deine Frage eingehe:
https://schriftweise.wordpress.com/2020/06/08/montagsfrage-85-trendbetroffenheit-als-bildungschance/
LikeLike
Hallo zusammen,
ein Buch kann ich zwar nicht nennen, habe mir aber dennoch ein paar Gedanken dazu gemacht:
https://buechernarr.org/montagsfrage-85-buecher-gegen-ignoranz/
Viele Grüße
Frank
LikeLike
Liebe Antonia, zwar bin ich kein „offizieller“ Teilnehmer der Montagsfrage, aber ich kann und möchte das Buch „Unter Weißen“ von Mohamed Amjahid wärmstens empfehlen. 🙂
Herzliche Grüße: VVN
LikeGefällt 3 Personen
Über eine Kommentar-Teilnahme freue ich mich ganz genauso, lieber Valentin. Danke für deine Empfehlung! Ich wünsche dir eine gute Woche 🙂
LikeGefällt 1 Person
Liebe Antonia, nicht einfach… Mit der Thematik befasst habe ich mich beim Lesen immer wieder: https://nellindreams.wordpress.com/2020/06/08/die-montagsfrage-85-buecher-gegen-ignoranz-blacklivesmatter/
LikeLike
Hallo Ihr Lieben!
Da hat uns Antonia ein harte Nuss zum Knacken gegeben:
https://andreaskueckleselust.com/2020/06/08/montagsfrage-85-buecher-gegen-rassismus/
Herzliche Grüße
Andreas
LikeLike
Liebe Antonia,
ok, es bleibt ernst. Ich habe echt kurz überlegt, ob ich dazu wirklich eine gute Antwort habe, aber auf gut kommt es nicht immer an. Egal, schwierige Kiste, definitiv. Eine Empfehlung habe ich und ein kurzes Statement zu meinem kaum vorhandenen Aktivismus, I´m sorry.
https://buchpfote.de/montagfrage-vom-8-juni-2020-welche-buecher-gegen-rassismus-fallen-dir-ein/
Liebe Grüße
Tina
LikeLike
Liebe Antonia,
ich möchte mich bei dir bedanken, dass du mir heute die Gelegenheit schenkst, mich auf meinem reinen Buchblog deutlich gegen Rassismus auszusprechen. Ich habe mir viel Mühe mit meinem Beitrag gegeben und hoffe, ich konnte Bücher empfehlen, die anderen Leser_innen helfen, sich für das Thema zu sensibilisieren.
Außerdem möchte ich dir noch kurz den Hinweis geben, dass das Wort „farbig“ historisch sehr negativ konnotiert ist und nicht mehr verwendet werden sollte, weil es die Diskussion auf eine biologische Ebene verschiebt, die das gesellschaftliche, strukturelle Auftreten von Rassismus verklärt. Bitte versteh mich nicht falsch, das ist kein Vorwurf, aber gerade in der aktuellen Lage ist es wichtig, dass wir uns gegenseitig kontrollieren und korrigieren, deshalb habe ich mich trotz des Risikos, dass mein Hinweis als Angriff gewertet wird, dazu entschieden, deine Wortwahl anzusprechen. Eine gute Übersicht über diskriminierungsfreie Sprache bietet das Glossar von Amnesty International.
Montasgfrage auf dem wortmagieblog
Viele Grüße,
Elli
LikeGefällt 1 Person
Liebe Elli,
Vielen Dank für den Hinweis! Ich werde es sofort im Beitrag bearbeiten und bin dir dankbar, dass du mich korrigiert hast. (Und sehe es auch nicht als Angriff. Ich habe, wie viele andere Menschen auch, sehr viel zu diesem Thema zu lernen und bin froh, wenn man mich auf meine Fehler hinweist, damit ich in der Zukunft besser zu diesem Thema schreiben kann.)
Alles Liebe und schön, dass du diese Woche dabei warst!
Antonia
LikeGefällt 2 Personen
Hallo ihr Lieben,
auch ich habe eine Empfehlung, wenngleich das Buch schon etwas älter ist, finde ich es dennoch noch sehr aktuell: https://vanessas-literaturblog.de/2020/06/08/montagsfrage-08-juni-2020/
Liebe Grüße
Vanessa
LikeLike
Danke, dass du die Montagsfrage dafür genutzt hast, dieses wichtige Thema anzusprechen – ich finde, die Frage hast du sehr gut gewählt. Ich lese hauptsächlich Fiktion, und dadurch ist mir jetzt auch nochmal aufgefallen, wie wenig ich eigentlich darauf geachtet habe, auch im Hinblick auf Hautfarbe / Ethnizität der Charaktere & Autoren auf eine ausgewogene Mischung zu achten. Ich hatte deswegen kurz überlegt, diese Woche nicht mitzumachen, einfach weil mir kein Buch eingefallen ist – jetzt habe ich doch einen etwas längeren Beitrag mit einigen Vorschlägen zur Weiteren Bildung geschrieben. https://anicasmedienwelten.wordpress.com/2020/06/08/montagsfrage-85-bucher-mehr-gegen-ignoranz-blacklivesmatter/
LikeGefällt 1 Person
Hallo Antonia,
vielen Dank für die heutige Montagsfrage. Hier ist mein Beitrag dazu.
Beitrag auf Bücher wie Sterne
Liebe Grüße
Jay
LikeLike
Liebe Antonia,
großses Danke, dass du diese Frage gewählt hast ❤ Meine Antwort mit Buchvorschlägen, Podcastfolgen und Video findet ihr unter diesem Link:
https://lesenausliebe.wordpress.com/2020/06/08/die-montagsfrage-85-bucher-gegen-ignoranz/
Ganz liebe Grüße,
Charlotte
LikeGefällt 1 Person
Hallo Antonia,
Ich finde es Klasse, dass du den Mut hast, auch solche Themen anzusprechen. Das sollten viel mehr Menschen tun, nicht nur jetzt, sondern immer!
Eigentlich dachte ich, mir würde gar nichts dazu einfallen. Ich habe meine Abneigung gegen Rassismus nicht aus Büchern, sondern so gelernt. Bis mir auffiel, dass es ja eben doch einige Bücher und auch Filme (die hab ich einfach mal mit reingenommen, weil ich da einige sehr starke kenne) gibt, in denen es um Rassismus, Vorurteile und Sklaverei geht. Ja, ich hab Sklaverei auch mit reingenommen. Auch wenn das nicht wie unser moderner Rassismus ist, ist es eben doch die meiner Meinung nach schlimmste Form, rassistisch zu sein. Ich hoffe, ich habe mich mit meinen Erweiterungen nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt.
https://shannons-schreibstuebchen.blogspot.com/2020/06/montagsfrage-22-bucher-gegen-ignoranz.html
LG Shannon
LikeGefällt 1 Person
Hallöchen,
das ist mal wieder eine sehr schwere Frage zu einem sehr schweren Thema. Neben ein paar Erläuterungen zu meiner allgemeinen Meinung sind mir nach langem Überlegen doch ein paar empfehlenswerte Bücher eingefallen: https://w0rdw0rld.blogspot.com/2020/06/montagsfrage-08062020.html
Liebe Grüße
Sophia
LikeLike
Guten Abend Antonia,
dies ist meine ersten Teilnahme an deiner Aktion, auch wenn ich es schon oft in Erwägung gezogen habe.
Aber mehr dazu in meinem heutigen Beitrag.
Vielen lieben Dank, dass du den Menschen die Möglichkeit gibst, sich Gedanken zu machen und auch sich neue Informationsquellen zukommen zu lassen.
Montagsfrage № 1 | Bücher gegen Ignoranz #BlackLivesMatter ist mein Beitrag.
Ich habe auch eine kleine weitere Verlinkung in meinem Beitrag versteckt, für jene, die noch mehr zum Thema lesen möchten.
Liebe Grüße,
RoXXie
LikeLike
Für mich sind Menschen in erster Instanz wirklich alle gleich, denn alle sind Menschen und kommen von der Erde. Erst der Charakter und das Verhalten eines jeden Einzelnen entscheidet, ob man nun ein netter oder ein besch*** Mensch ist. Wie dem auch sei, hier ist mein Beitrag zur Montagsfrage: https://ichigokomori.wordpress.com/2020/06/08/montagsfrage-85/
LikeGefällt 1 Person