Die Montagsfrage #85 – Bücher gegen Ignoranz #BlackLivesMatter

Ich habe die letzten Tage sehr viel darüber reflektiert, wie ich meinen kleinen Flecken Internet am besten nutzen kann, um dieses Thema anzusprechen und einen hilfreichen Diskurs dazu anzustoßen. Wenn ich ganz ehrlich sein soll, fühle ich mich nicht qualifiziert genug, dieses Thema anzusprechen. Ich bin kein Opfer rassistischer Anfeindungen. Und ich weiß nicht, wie es Menschen geht, die es sind.

Versteht mich nicht falsch, ich versuche schon seit einer ganzen Weile bewusst zuzuhören. Ich habe in der Vergangenheit Bücher (vor allem biografischer Natur) gelesen, die sich unter anderem mit Rassismus auseinandersetzen. Und ich bin immer sehr daran interessiert, auf der Arbeit Artikel über Leute mit anderen Erfahrungswerten zu übernehmen. Ich habe Interviews (und noch viel mehr interessante Gespräche danach) mit Leuten geführt, die rassistischen Anfeindungen ausgesetzt oder die mit einer Religion in der Minderheit aufwachsen sind. Ich versuche zuzuhören, wo immer ich kann. Und ich versuche diesen Leuten eine Stimme zu geben. Aber es ist eine Tatsache, dass ich selbst viel, viel, viel zu wenig darüber weiß. Und dass die wenigen Stimmen, die ich gehört habe, nicht genug sind.

Wieso kommt dieser Beitrag heute? Wieso kam er nicht bereits letzte Woche Montag? In erster Linie, weil ich nicht gern auf den trending-hashtags-Zug aufspringe, ohne mich vorher mit einem Thema auseinanderzusetzen. Vor allem wenn es so wichtig ist und weil ich keinen oberflächlichen Beitrag ohne Mehrwert verfassen wollte, einfach um etwas zum Thema gesagt zu haben. (Und wenn ich noch einen bescheuerten Influencer sehe, der sich mit einem Plakat während einer Demonstration fotografieren lässt, NUR DAMIT ER/SIE EIN FOTO VON DIESER DEMONSTRATION HAT WEIL DAS GERADE SO VIELE LIKES GENERIERT AHHHHHH. Dann ist es vorbei, ich schwöre——)

Ich lasse schwere Dinge gern ein paar Tage sacken, gerade wenn sie so (vollkommen zu recht, in diesem Fall) eskalieren. Ich denke, so findet man letztendlich die besten Worte — und Worte sind sehr wichtig — und vor allem auch die beste Art und Weise sie einzusetzen. Die Montagsfrage ist nun, wie ich sie einsetze. Ich denke, das erreicht (selbst in meiner sehr beschränkten Reichweite) letztendlich die meisten Menschen und hat, man darf es jedenfalls hoffen, den größten Mehrwert, den ich generieren kann.

Wir haben letzte Woche bereits über ein Thema gesprochen, das schnell als recht kontrovers aufgefasst werden könnte. Ich glaube nicht, dass dieses Thema heute sonderlich kontrovers ist. Was George Floyd passiert ist, ist nicht kontrovers. Es ist rassistisch, es ist grausam, es ist menschenunwürdig und es macht mich unglaublich wütend. Kontrovers ist nicht das richtige Wort, weil es impliziert, dass es mehrere legitime Sichtweisen gibt, mit denen man dieses furchtbare Verbrechen beurteilen kann. Ich glaube nicht, dass es eine legitime zweite oder dritte oder vierte Sichtweise gibt. Es gibt genau eine: Was diesem Mann passiert ist, ist ein rassistisches Verbrechen. Es ist der Spiegel eines viel größeren, viel historischeren und viel gegenwärtigeren Problems. Und wir dürfen nicht in der Akzeptanz leben, dass so etwas monatlich, wöchentlich, ja, täglich Menschen in unserer Gesellschaft passiert oder passieren könnte.

Es wäre schöner, lebten wir in einer Welt, in der jede Montagsfrage leicht und lustig sein kann. Aber es wäre nicht richtig, wenn diese es wäre. Es ist natürlich illusionär zu denken, dass dies mehr als einen Tropfen auf den heißen Stein ist. Aber es ist eben der Tropfen auf den heißen Stein, den ich beitragen kann.

Wie bereits erwähnt, habe ich lange darüber nachgedacht, wie ich einen größtmöglichen Mehrwert innerhalb meiner eigenen Möglichkeiten erreichen kann. Ich bin dabei zum Schluss gekommen, dass Bildung ein ganz entscheidender Faktor ist und deshalb möchte ich euch bei der heutigen Montagsfrage genau das fragen: Wie kann man sich besser über das Thema bilden? In Buchform? Oder anders formuliert:

Welche Bücher, die gegen die Ignoranz und Unwissenheit bezüglich dieses Themas arbeiten, kennt ihr und könnt ihr weiterempfehlen?

In meinem eigenen Bücherschrank gibt es da große Lücken (und ich denke, ich bin damit nicht allein – was natürlich einer der Gründe ist, weshalb ich diese Frage so ansprechen wollte). Ich habe allerdings trotzdem schon das ein oder andere Buch, das sich auf die eine oder andere Weise mit Rassismus, Ausgrenzung und Xenophobie beschäftigt, gelesen und kann deshalb guten Herzens heute auch eine Empfehlung aussprechen (und hoffe an dieser Stelle, dass wir durch das Zusammentragen vieler Empfehlungen eine ganz gute Mischung an Literatur zu diesem Thema zusammenbekommen):

Eines meiner (vollkommen themenunabhängigen) Lieblingsbücher der letzten paar Jahre ist definitiv Born a Crime von Trevor Noah. Ich habe das Buch vor einiger Zeit auf einer Zugreise beim Umsteigen in Frankfurt gekauft. Weil ich früher gern die Daily Show geschaut habe als Jon Steward noch durch sie geführt hat und gern ein bisschen mehr über den neuen Host Trevor Noah wissen wollte. Also kurzum: Spontan ein bisschen Reiselektüre für den Rest des Weges. Nichts dabei gedacht und kein weltbewegendes Buch in Erwartung. Und lasst mich euch sagen, wie positiv ich von diesem Buch überrascht wurde.

Ich habe es praktisch für die nächsten vierundzwanzig Stunden während meiner wachen Stunden nicht mehr aus der Hand legen können. Normalerweise höre ich Musik beim Zugfahren und lese nicht sonderlich viel dabei, aber keine Chance. Dieses autobiografische Buch hat mich einfach aus den Socken gehauen. Es war unheimlich lustig, es war unheimlich traurig, es hat mich bewegt, zum Lachen gebracht und am Ende habe ich — wie man so schön sagt — Rotz und Wasser geheult.

In dem Buch selbst geht es um Trevor Noahs eigene Kindheit in Südafrika während des Apartheid-Regimes, in dem er als Kind einer Mutter, die eine Person of Color ist, und eines weißen Vaters wortwörtlich ein ’Verbrechen’ ist (weil Beziehungen dieser Art streng verboten waren), weshalb er die ersten Jahre seines Lebens von seiner Mutter vor den Behörden versteckt wurde. Es geht auch um seine Jugendjahre nach dem Apartheid-Regime, in dem Rassismus immer noch existiert. Um eine Identität zwischen ’Schwarz’ und ’Weiß.’ Über seine Mutter, die, offen gestanden, einfach eine wahnsinnig tolle Frau ist. Über das Driften in die Leere des Immer-Am-Selben-Fleck-Tretens und über das Herauskommen. Es ist ein tolles, authentisches und gleichermaßen unglaubliches Buch. Ich habe es bereits zuvor empfohlen und ich kann es immer wieder empfehlen. Vor allem, wenn man selbst noch nicht viel über das Apartheid-Regime weiß — oder über Südafrika im Allgemeinen.

Wenn ich momentan allen ein Buch ans Herzen legen könnte — auch ohne dass die Thematik Rassismus wahnsinnig wichtig ist, aber gerade weil sie momentan so wichtig ist — Trevor Noah ist eine ausgezeichnete Wahl. (Und ich hoffe ganz inständig, dass er in Zukunft noch viele weitere tolle Bücher schreibt. Er ist ein sehr lesenswerter Autor.) Ganz davon abgesehen, dass ich danach immer mehr die Daily Show wieder für mich entdeckt habe und auch seine Kommentare zu den aktuellen Ereignissen sehr stark und auf den Punkt gebracht fand. Wer also politische und humoristische Kommentare zum amerikanischen Politgeschehen interessant findet, dem sei der YouTube-Kanal von The Daily Show sehr angeraten. Zusätzlich zur Lektüre der Autobiografie ihres Hosts. (Und, wo wir gerade dabei sind, ich liebe auch Trevor Noah’s Netflix Comedy Specials, vor allem Son of Patricia — und hoffe auch da, dass noch ganz viele weitere kommen. Wirklich sehr empfehlenswert!)

Nun ist es an euch: Welches Buch sollte man gelesen haben, wenn man sich näher mit dem Thema Rassismus beschäftigen will? Welche Erfahrungsberichte haben euch bewegt und vielleicht sogar eine weitere Perspektive geöffnet? Was sind must-read-books in diesen Zeiten? Ich bin sicher, es gibt einige — und wenn wir uns diese Woche alle zusammentun, dann bin ich davon überzeugt, dass wir eine gute Leseliste zusammenbringen können, mit der jeder Interessierte sich nachhaltig tiefgründiger über Rassismus informieren kann.

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Noch nicht genug von der Montagsfrage? Hier geht es zur Montagsfrage der letzten Woche und hier zur Liste aller auf diesem Blog erschienenen Montagsfragen.