Niederländisch für Anfänger #8 – Hallo, neues Studium

Mit dem ersten Montag dieses Monats ist nicht nur die Montagsfrage auf den Blog zurückgekehrt, sondern auch – ja, es geschehen noch Zeichen und Wunder – meine Wenigkeit an die Universität. Also, nun ja. Mehr oder weniger. Erstens bin ich natürlich nicht erst seit diesem Montag zurück, sondern bereits seit letztem Dienstag (in den Niederlanden geht das Studium grundsätzlich am 1. September los – wie bei Harry Potter, ha!). Und zweitens war ich natürlich gar nicht so wirklich weg. Ich habe auch das letzte Studienjahr über Kurse besucht (beziehungsweise eher beschnuppert, so um klarzustellen, was und wie und wo genau ich mein Leben jetzt eigentlich haben will) und weiter für die Uni gearbeitet. Ich war nicht weg. Nicht so ganz jedenfalls. Aber so wirklich da war ich auch nicht.

Man könnte an dieser Stelle natürlich sagen, dass ich so Hundertprozent mit Herz und Seele schon eine ganze Weile nicht mehr bei meinem Studium war. Psychologie ist schön und gut, wahnsinnig wichtig, hochrelevant, und im Prinzip auch interessant. Es ist ein tolles Studium für eine ganze Menge Leute, die in den nächsten Jahren mit dem Wissen, das sie sich da aneignen, hoffentlich eine ganze Menge Probleme angehen und lösen können. Ich würde keinem von Psychologie abraten, wirklich nicht. Aber die letzten Jahre haben gezeigt – und das ist der Teil der Geschichte, die uns an den Präsenz-Punkt bringt – dass es eben nicht das richtige Studium für mich ist. Nicht weil es nicht interessant ist. Nicht weil es nicht wichtig ist. Nicht mal weil ich sonderlich schlecht war. Einfach weil ich nicht reinpasse in die Psychologie. Und ich zu jung bin, den Rest meines Arbeitslebens in eine Richtung zu steuern, die für mich ganz okay, aber im Prinzip nicht passend ist.

Vielleicht ist es ein Privileg der Jungend Dinge sagen zu können wie ’Alles, für was mein Herz nicht brennt, macht mich krank,’ aber Jugend hin und Jugend her: Alles, für was mein Herz nicht brennt, macht mich krank. Also natürlich bekomme ich nicht jedes Mal, wenn ich meine Handtücher in die Waschmaschine schmeiße ein Fieber viktorianischer Ausmaße (ihr wisst schon, die Art von Fieber, die viktorianische Ladys in Romanen entwickeln, wenn sie auf dem Ball zurückgewiesen wurden). Aber die letzten Jahre haben ergeben, dass ich, egal was ich arbeitstechnisch irgendwann einmal mache, dringend etwas brauche, für das ich brenne. Und auch wenn es Tage gibt, an denen ich mich nicht mag, ich mag mich mittlerweile durchaus genug, mir eine berufliche Tätigkeit zu gönnen, die mich nicht von innen heraus auffrisst. Ich kann mit schlechten Arbeitstagen umgehen, mit Stress, mit gelegentlicher Frustration, mit unfreundlichen Leuten und mit Plänen, die nicht aufgehen. Ich kann mir vieles vorstellen zu tolerieren. Aber ich brauche etwas, das mich beruflich erfüllt. Nicht immer. Aber meistens.

Das ist natürlich die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass ich, man kann es leider nicht anders in Worte fassen, vier Jahre studiert habe, ohne einen Abschluss einzusacken. Und glaubt mir, wenn ich sage, ich bin mir dessen durchaus bewusst. Mein Leben läuft momentan nicht nach Plan. Ich fände es besser, wenn es nach Plan laufen würde. Wenn Psychologie die Erfüllung meiner akademischen Träume gewesen wäre und nicht dieser komplette Reinfall. Aber gut. Der Plan hat nicht funktioniert. Er wurde geändert, angepasst, umgeschoben. Vergangene To Do-Listen verbrannt. Zwei Katzen adoptiert. Ein halber Roman geschrieben. Joberfahrung gesammelt. Der alte Plan ist tot — und seitdem schlafe ich wieder besser. Ich bin zweiundzwanzig und ich weiß, was ich von meinem Leben will. Nicht immer. Definitiv nicht immer. Aber wesentlich besser als mit achtzehn als ich das erste Mal ausgezogen bin, um ein Studium zu bestreiten. Und das gibt einem doch Hoffnung.

Ich habe diesen Beitrag bestimmt schon fünf Mal angefangen und ihn in den vergangenen Monaten konsequent nicht fertig geschrieben. Das lag zum größten Teil an einer Mischung aus Schulgefühl und Angst. Man bricht nicht einfach so nonchalant einen Bachelor ab und macht ohne Hintergedanken mit dem nächsten weiter (ich jedenfalls nicht). Hatte ich die letzten Monate über deshalb lähmende Panik, eine falsche Wahl zu treffen? Absolut. Und war ich die letzten Wochen vor Beginn meines neuen Studiums – vorsichtig ausgedrückt – etwas angespannt? Einhundert Prozent. Jetzt habe ich eine Woche studiert und werde doch langsam etwas entspannter. Nicht entspannt, dazu ist auch viel zu viel zu tun, aber entspannter.

Eine ganze Menge Leute haben mich die letzten Tage über gefragt, wie das Studium nun läuft. Ob es mir gefällt und tatsächlich alles ist, wovon ich je geträumt habe. Nun, ihr solltet wissen, für einen sonst so weltlichen Menschen, bin ich was das Beschreien von guten Dingen angeht sehr abergläubisch. Ich hüte mich davor, Dinge in den Himmel zu loben und mir der Funktionalität einer Sache zu sicher zu sein, wenn noch so viel Potenzial besteht, dass Dinge schief gehen können. Würde ich mich aber von meinem eigenen Aberglauben, dass sobald man sagt, etwas sei gut, die Sache schlecht wird, befreien können, dann wäre meine Antwort auf die Frage meiner bisherigen Studienerfahrung: Großartig. Es ist gut. Es macht Spaß. Es ist anstrengend und so viel zu lesen. Ich war praktisch die letzte Woche nur in geschichtswissenschaftlichen Papern und Quellen vergraben. Aber es ist gut. Und ich denke, hier bin ich richtig und hier bleibe ich mit meinen dramatischen Schachtelsätzen und meinem überzogenen Koffeinkonsum.

Wie der ein oder andere bereits auf Instagram oder via kurzen Erwähnungen in der Montagsfrage mitbekommen hat, studiere ich seit diesem Jahr Comparative European History (was im Prinzip nur eine schicke Bezeichnung für ’Geschichte, aber Englisch’ ist). Der Studiengang ist noch recht neu an meiner Universität und er ist sehr klein. Mit mir haben um die zwanzig weitere Studenten dieses Jahr angefangen und wir alle sitzen nun (wie die meisten Studenten dieses Semester) primär vor Computerbildschirmen und nehmen an Vorlesungen via Zoom teil. Dieser Studienstart ist natürlich mit Pandemie und Co. eh anders (und vielleicht, das muss sich noch herausstellen, etwas herausfordernder) als in den vorherigen Jahren. Aber das ist okay. Das bekomme ich hin. Man muss sich etwas mehr anstrengen, Kommilitonen kennenzulernen und selbst mir ist die ganze Arbeit vor dem Computer manchmal wirklich zu viel (und ich verbringe sehr viel Zeit vor dem Computer). Aber es ist machbar. Geschichte ist ein schöner, kleiner Studiengang voller Leute mit historischen Lieblings-Epochen (wie ich), was ich sehr sympathisch finde. Die letzte Woche hat mir bereits viel beigebracht hat und langweilig geworden ist mir auch noch nicht. Kurzum, ohne es beschreien zu wollen, ich denke, ich habe die richtige Entscheidung getroffen. Und darüberhinaus sogar herausgefunden, dass ich nicht die einzige bin, die erst etwas anderes studiert hat und dann zu Geschichte gewechselt ist. Nicht, dass das wichtig wäre, aber ein bisschen beruhigend ist es doch.

Nach genau einer Woche haben sich also meine Befürchtungen für das neue Studienjahr erst einmal zerstreut. Alles, was jetzt übrig bleibt, ist ’am Ball bleiben.’ Ein Studium, wenn ich in meinem letzten eines gelernt habe, dann das, ist nämlich zu neunzig Prozent Zeitmanagement und Durchhaltevermögen. Jeder kann eine Woche durchpowern oder kurz Interesse für ein Thema finden. Ein ganzes Studium durchzuziehen, braucht etwas mehr als das (weshalb ich generell dafür plädieren würde, immer etwas zu studieren, für das man wirklich brennt und das man wirklich machen will – sich durch ein Studium zu quälen ist nämlich eine sehr kräftezehrende Angelegenheit. Ich spreche aus Erfahrung). Die nächsten Monate über muss ich also weiter Paper lesen, weiter Assignments machen und an Vorlesungen teilnehmen, weiter Zusammenfassungen schreiben, Fragen stellen, mitarbeiten, weiter das Ziel nicht aus den Augen verlieren und immer, immer, immer zurück zu meiner Motivation finden.

Ein neues Studium kann einschüchternd sein. Selbst wenn – und vielleicht gerade wenn – man schon mal eins begonnen hat. Jeder neue Lebensabschnitt ist beängstigend. Das ist ja die ganze Voraussetzung für einen angehenden Wachstumsprozess. Aber so schwierig es am Anfang scheint, alles zu balancieren, so groß und unsicher und aufreibend Neuanfänge sein können: Ein Neuanfang ist nur so lang ein Neuanfang, bis sich eine Routine einstellt und nicht nur Adrenalin und Aufregung des Beginns verfliegen, sondern auch Zweifel und Überwältigung. Es ist nie einfach, den ersten Stein eines neuen Fundaments zu setzen. Aber Steine-Setzen ist eine recht repetitive Arbeit, bei der man besser wird, desto länger man sie macht. Und wenn ich den neuen (und alten) Studienanfängern und Beginn-Suchenden dieses Herbstes etwas mit auf den Weg geben kann, dann ist es, dass die Zeit Routine bringt und Routine eine beruhigende Art von Selbstvertrauen.

Ich habe nun noch einmal neu angefangen, grundlegend neu angefangen, könnte man sagen, und das macht mir manchmal Angst. Doch als ich mich kurz vor Studienbeginn in vollem ’nervöses Wrack’-Modus mit einer Freundin traf, war eine der ersten Dinge, die sie mir sagte: ’Ich weiß auch nicht, aber du wirkst irgendwie selbstbewusster.’ Ich fühle mich ganz oft alles andere als selbstbewusst, aber ich bin tatsächlich wesentlich selbstbewusster als ich mit achtzehn war. Ich fühle mich auch ganz oft nicht weise und bestimmt und ausgeglichen, aber ich bin weiser, bestimmter und ausgeglichener als vor vier Jahren. Was dieser Neuanfang bringt, weiß ich nicht. Kann ich auch gar nicht wissen, mit all den Variablen, die das Universum so in regelmäßigen Abständen durcheinanderwirft. Gott weiß was in einem halben Jahr oder drei Jahren oder zehn Jahren ist. Alles, was ich weiß, ist, dass ich in den letzten vier Jahren gewachsen bin – und dass ich in den nächsten vier Jahren weiter wachsen werde. Hoffentlich unter ein paar guten Sternen, mehr möchte ich gar nicht. Positive Energie für den Rest meiner Tage und möglichst wenig persönliche Tragödien für meine Familie und mich. Das fände ich adäquat nach den letzten Jahren meines Lebens. Und wer weiß, vielleicht, wenn ich diese Botschaft (’keine plötzlichen Todesfälle und Krankheiten mehr, bitte viel Schreibinspiration und ein gutes Studium, vielen Dank’) ans Universum herausschicke, vielleicht kommt es ja mal an der richtigen Stelle an.