Die Montagsfrage #141 – Sollten Verlage/Autoren von Buchmessen ausgeschlossen werden können?

Hallo meine Lieben und willkommen zurück zu einer weiteren Woche – und damit (wie immer) einer weiteren Montagsfrage. Ich will ganz ehrlich mit euch sein: Ich hatte wirklich eine andere Montagsfrage eingeplant und bin zugegeben selbst ein bisschen überrascht, dass wir nun bei dieser gelandet sind. Ich habe ebenfalls (da bin ich ganz ehrlich) ein bisschen hin und her überlegt, ob ich diese Frage überhaupt stellen soll. Zum einen, weil ich aufgrund meiner Examensvorbereitungen nur am Rande mitbekommen habe, was in Frankfurt nun diese Woche los war – und was nicht; und zum anderen, weil es ein heikles Thema ist und ich aufgrund von meines Historiografie-Kurses seit letztem Mittwoch durchgehend Kopfschmerzen habe.

Aber es hilft ja alles nichts, Freunde. Heikle Themen – Examenswoche hin, Kopfschmerzen her – müssen besprochen werden. Und egal ob der aktuelle Fall an einem vorbeigegangen ist oder nicht, ist die heutige Frage eine, die sich nicht nur für die diesjährige Frankfurter Buchmesse gestellt werden muss – sondern auch im Allgemeinen für die Buchmessen der Zukunft. (Wer im Übrigen letzte Woche noch etwas mehr unter einem Stein gelebt hat als ich und überhaupt keine Ahnung hat, wieso hier jetzt plötzlich über den Ausschluss von Verlagen und/oder Autoren bei Buchmessen geredet wird, der findet in diesem Spiegel-Artikel oder bei der Zeit einen kurzen Einstieg in das ganze Schlamassel.)

Sollten Verlage/Autoren von Buchmessen ausgeschlossen werden können?

Die kurze Antwort auf diese Frage ist erst einmal „Ja.“ Ja, man sollte von Buchmessen ausschließen können. Ja, es gibt Umstände, unter denen bestimmte Verlage und/oder Autoren nicht willkommen sein sollten. Und ja, ich verstehe absolut, dass in solchen Situationen oft mit dem Argument „Meinungsfreiheit“ um sich geworfen wird, aber – und das ist nun Teil der etwas ausführlicheren Antwort – heißt Meinungsfreiheit nicht per se, dass man alles sagen und alles kriegen kann. Wie man sich verhält und was man von sich gibt ist in Deutschland relativ frei – und das ist auch gut so. Ich kann nicht für Kritik am Bafög-Amt hinter Gitter gebracht werden – mir kann, sind wir mal ganz ehrlich, dafür nicht einmal Bafög gekürzt werden (sollte ich es noch kriegen, jedenfalls). Wenn ich allerdings in eine Bäckerei in meinem Heimatort laufe und die Kassiererin beleidige, weil die Puddingbrezeln aus sind, dann sollte es vollkommen legitim sein, dass ich dort nicht mehr bedient werde.

Man kann alles sagen – oder zumindest eine ganze Menge – aber was man sagt hat immer Konsequenzen. Ja, nicht per se rechtlich, weil man nicht für etwas, das man gesagt hat, eingesperrt werden sollte – absolut richtig. Aber ich sehe nicht ein, inwiefern einer Buchmesse die Hände gebunden sind, wenn es um die Annahme von bestimmter Verlage oder Autoren geht, die andere Messeteilnehmer dazu zwingen, aus Sicherheitsgründen nicht teilnehmen zu können. Es geht hier schließlich nicht darum, einen Verlag zu verbieten, der schlechte Bücher veröffentlicht oder Autoren, weil sie Thema A so beschreiben und man es lieber anders hätte. Es geht nicht darum, sich um eine Position zu streiten und nicht auf Standpunkte einigen zu können. Es geht darum, dass manche Menschen die Auffassung vertreten, ihr Standpunkt gäbe ihnen das Recht, anderen physisches und psychisches Leid zuzufügen. Niemand hat das Recht, anderen physisches und psychisches Leid zuzufügen. Und schon gar nicht hat jemand das Recht, nachdem er es getan hat, einen Buchmessestand aufbauen zu dürfen.

Die Frankfurter Buchmesse – und sicherlich Buchmessen im Allgemeinen – versuchen ein „neutraler Grund“ zu sein. Das ist auch gut so – ich habe viele Freunde und Bekannte, deren politische Meinungen ich nicht vertrete oder deren religiöse Ausrichtungen ich nicht verstehe (und andersherum), aber ich hoffe, dass wir uns trotzdem auf einen Kaffee treffen und uns in manchen Diskussionen darauf einigen zu können, dass wir uns in mancherlei Hinsicht einfach nicht einig sind. Unterschiedliche Meinungen auszudiskutieren ist eine gute Methode, seine eigene Meinung ein bisschen zu schärfen und die Schwarz-Weiß-Perspektiven dieser Welt regelmäßig zu überdenken. Das täte uns allen manchmal ganz gut. Aber selbst in einem offenen Gespräch zwischen zwei Parteien, die sich politisch auf bestimmte Dinge nicht einigen können, gibt es Grenzen. Wir können uns darüber uneinig sein, ob Windräder nun die Zukunft der Energie in Deutschland sind oder ob es okay ist Fleisch zu essen oder nicht. Aber ich beende (und habe in der Vergangenheit) Gespräche und Freundschaften (beendet), wenn es um Diskussionen grundlegender Menschenrechte geht. Wer denkt, jemand hätte – zum Beispiel – aufgrund seiner Hautfarbe, Herkunft oder sexuellen Orientierung keine gleichgestellte Daseinsberechtigung, ist nicht in meinem Haus willkommen. Und ich wünschte, er oder sie wäre auch in der Frankfurter Messe nicht willkommen.

„Neutral zu sein“ ist nicht gleichzusetzen mit „nichts tun“ und es heißt auch nicht per se, dass man umkommentiert alles durchgehen lassen muss, weil einem durch eine (wohlgemerkt eigen auferlegte) Neutralität die Hände gebunden sind. Neutralität kann allerdings heißen, dass man Parteien mit der selben neutralen Ausgangshaltung gegenübertritt – ein bisschen wie ein Schiedsrichter beim Fußball. Absolut neutral, heißt aber nicht, dass nicht gepfiffen wird, wenn ein Foul begangen wird. Ich denke, es würde der Frankfurter Buchmesse gut tun, darüber nachzudenken, ob sie ihre Neutralität als eine unbeteiligte Neutralität verstehen will – oder als eine, die faire Entscheidungen fällt, wer auf ihr präsentieren kann und wer eben nicht.

„Deshalb steht für uns auch fest, dass Verlage, die sich im Rahmen der Rechtsordnung bewegen, auf der Buchmesse ausstellen können, auch wenn wir ihre Ansichten nicht teilen.“ Hieß es im Statement der Messeveranstalter. Und: „Das klang weder nach Empathie, noch nach einem Willen, irgendetwas zu ändern. Auch wenn es nicht so gemeint war, konnte man die Sätze so lesen, als würde sich die Buchmesse auf die Seite der rechten Verlage schlagen, nicht auf die der absagenden Autorinnen.“ kommentierte eine Autorin der Zeit. Und ja, genau das ist eben der Punkt. Keine Entscheidung ist jemals vollkommen neutral. Selbst wenn – und in diesem Falle gerade weil – die Entscheidung war, nichts zu tun. Das hat nichts mit Neutralität zu tun, das ist ein Standpunkt im Schafsfell. Und so etwas lässt sich nur zu einem gewissen Grad hinter dem Wort „Meinungsfreiheit“ verstecken. „Meinungsfreiheit“ ist in den letzten Jahren vermehrt ein Schutzschild dafür geworden, keine Verantwortung übernehmen zu müssen und das ist nicht nur eine faule Entwicklung sondern auch eine gefährliche. Plattformen – egal ob digital oder analog, metaphorisch oder wortwörtlich – müssen sich bewusst werden, dass die Botschaften, denen sie Raum geben, sie durchaus etwas angehen.

Natürlich ist das alles unangenehm – Probleme zu lösen ist immer ein bisschen unangenehm. Und Probleme, die schwierige Themen wie „Meinungsfreiheit“ und „Neutralität“ beinhalten, sind es erst recht. Ich würde auch lieber etwas Positives über die Frankfurter-Buchmesse schreiben nach dem Eventuell-Ja-Eventuell-Nein-Ding des letzten Jahres (hier mein Beitrag von letztem Jahr). Aber die Sache ist nun einmal, dass viele Dinge in der Welt nicht sonderlich angenehm sind und man sich trotzdem mit ihnen auseinandersetzen muss. Ich schreibe trotzdem einen Beitrag über diese blöde, hässliche Situation, die so viele Menschen unglücklich gemacht oder zumindest sehr verunsichert hat, obwohl ich viel lieber locker-flockig-leichtere Beiträge schreiben würde. Und für eine Buchmesse reicht es eben nicht einfach, ein seichtes Statement zu veröffentlichen um sich aus der Affäre zu ziehen. Die Affäre ist nicht gelöst. Das Problem ist immer noch da. Und wenn man wirklich einen neutralen Grund bieten möchte, auf dem sich auf das Wesentliche (heißt also: den Literaturbetrieb) konzentriert werden kann, dann kann dieser neutrale Grund nicht auf bequemer Untätigkeit gebaut werden.

Ich hoffe, in naher Zukunft für den Blog die Buchmesse wieder besuchen zu können oder journalistisch von ihr zu berichten – ja, vielleicht sogar eines Tages meine eigenen Romane auf der Buchmesse präsentieren zu können. Und vielen Bloggerinnen, Journalistinnen und Autorinnen geht es da sicher ähnlich wie mir. Wir wollen alle auf der Buchmesse zusammenkommen, Verbindungen knüpfen und von den Dingen umgeben sein, die uns alle professionell und privat so erfüllen (aka Bücher). Und unabhängig davon, welche Hautfarbe, ethnische Herkunft, politische Meinung, religiöse Auffassung, sexuelle Orientierung oder Genderidentität ich besitze, ich möchte mich auf so einer Messe sicher fühlen. Und – noch viel wichtiger – ich will, dass sich andere Autorinnen, Journalistinnen, Bloggerinnen und Besucherinnen auch sicher auf der Messe fühlen. Und wenn dass durch die Teilnahme von Vertretern rechtsextremer Verlage nicht gewährleistet werden kann, dann muss ernsthaft darüber nachgedacht werden, auszuschließen. Schlicht und ergreifend, weil Nichts Tun den neutralen Grund der Messe für alle anderen Teilnehmer zugrunde macht.

Aber wie seht ihr das? Ausschluss ja oder Ausschluss nein? Und was heißt es eigentlich, eine Buchmesse für jeden (oder auf neutralem Grund) zu haben? Ich freue mich (wie immer) bereits sehr auf eure Antworten und hoffe, von euch zu diesem Thema zu lesen. Habt einen guten Start in die Woche und einen noch viel besseren in den neuen Monat!

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